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Jakobsweg-Camino Francés nach Santiago
Frühjahr 2009  

Jakobsmuschel
Unterwegs auf dem klassischen Jakobsweg

Frühjahr 2009- Ich bin dann auch mal weg

Vorwort
Eigentlich hatte ich mir schon in den 80er Jahren vorgenommen, einmal diesen Weg zu gehen. Damals waren es nur wenig Leute, die auf dem Camino Francés unterwegs waren. Aber wie es so ging, immer wieder erschienen mir auch andere Wege gehenswert, der Jakobsweg blieb im Hinterkopf, real war ich aber auf anderen Strecken unterwegs. Inzwischen erlebt der Weg einen derartigen Boom, dass schon von einer "Pilgerautobahn" gesprochen wird. Aus diesem Grunde habe ich mir das frühe Frühjahr ausgesucht, in der Hoffnung, dass es zu dieser Jahreszeit noch ruhiger sein wird. Sicherlich kann das Wetter im März und April noch recht unangenehm werden, aber was ist das, verglichen mit den Strapazen, die tausende von Pilgern in vergangenen Jahrhunderten auf sich genommen haben.

Ganz bewusst gehe ich allein los, weil ich frei über die Geschwindigkeit, die Etappeneinteilung, Pausen, Einkehren u.ä. entscheiden möchte. Ich möchte offen sein für zufällige Begegnungen, die Kultur und Natur am Wege und natürlich auch für -möglichst angenehme- Uberraschungen. Wenn ich nach anderen, z.B. religiösen oder sportlichen Motiven für die Wanderung gefragt werde, kann ich -noch- keine eindeutige Antwort geben. Vielleicht erkenne ich die erst auf der Wanderung oder wenn ich die Reise beendet habe und, so hoffe ich, wieder wohlbehalten zu Hause angekommen bin.

Für alle Daheim-Gebliebenen, für alle, die den Verlauf meiner Reise interessiert oder sogar gespannt verfolgen wollen, werde ich mich von unterwegs melden. Bei der heutigen Technik dürfte das kein Problem sein, eine kurze SMS ist immer drin, und wahrscheinlich wird es auch genügend Gelegenheiten geben, eine E-Mail zu versenden. All diese Lebenszeichen wird meine Schwester Elfie an dieser Stelle veröffentlichen. Für diesen Einsatz bedanke ich mich herzlich. Natürlich würde ich mich auch über Grüße und Botschaften im Gästebuch freuen.

23.03.2009
Heute fliege ich um 14:30 ab Dortmund los. Mit Easy-Jet geht es bis Barcelona. In der Nähe des Bahnhof Sants werde ich übernachten, Dienstag früh steige ich in den Zug nach Logrono. Ich habe diese Anreise gewählt, weil sie schnell und relativ preisgünstig ist.

Start am Flughafen

23.März 2009 per SMS um 17:23 Uhr:

bin um 16:20 uhr in barcelona gelandet. ich hatte selten einen so ruhigen flug mit einer so sanften landung. muss jetzt zum bahnhof sants kommen. hier ist es warm, die sonne scheint, und ich schwitze schon wie ein affe mit dem rucksack und den dicken klamotten.

("Warum soll ich nicht beim Gehen" - sprach er - "in die Ferne sehen? Schön ist es auch anderswo und hier bin ich sowieso"
Plisch und Plum 1882 A.d.R.)

diethelm_textoris_camino2


Sinkt der Stern: alleine wandern
Magst du bis ans End der Welt -
Bau du nur auf keinen andern
als auf Gott der Treue hält.

(Joseph Freiherr von Eichendorff - A.d.R.)

24. März 2009 per SMS um 20:38

im 8 qm kleinen zimmer im medium prisma hotel war's recht stickig. im barcelona war frühling. 3 kontrollen am bahnhof. heute 12 km ab logrono gegangen. hat alles super geklappt. bin in navarete um 20:00 uhr angekommen.

Tagebuchauszüge

Dienstag, 24. März 2009
13:20 Uhr: Als ich heute morgen vom Hotel "Medium Prisma" losging, war Frühling in Barcelona, 20 Grad und Sonnenschein. Während der Zugfahrt nach Logrono wurde es merklich schlechter, sehr windig und bewölkt. In Logrono schien dann wieder die Sonne, der Wind blieb. Ich fragte erst einen älteren Mann nach der Kathedrale St. Maria de la Redonda, doch der verstand mich nicht. Ein junger Mann half mir auf englisch weiter. Sehr nett und hilfsbereit war die junge Dame im Touristenbüro. Sie hat mir alles erklärt, auch, dass Kirchen und Kathedralen ab 13:00 Uhr Siesta haben. Sie beschrieb mir auch den Einstieg zum "Pilgrim's Way". Wegen der langen Siesta muss ich auf eine Besichtigung der Kathedrale verzichten. Von außen ist sie "eingerüstet". Das macht die Aufnahmen nicht gerade attraktiv.

21:00 Uhr: Es dauerte eine ganze Weile, bis ich aus Logrono raus war. Der Weg danach führte weitegehnd über Feld- und Wirtschaftswege und war recht angenehm. Am See La Fragera habe ich eine Pause in der Bar des Ruderclubs gemacht. Navarrete erreichte ich kurz vor dem Dunkelwerden. Bin im Hotel "Villa de Navarrete" untergekommen. Habe ich schönes Einzelzimmer. Bekam vom Wirt auch eine Restaurationsempfehlung. Bin zufrieden. Wenn das Motto des gestrigen Tages war: "Es hat alles gut geklappt", dann gilt das für den heutigen Tag ebenso.

kathedrale_logrononavarrete

 


Frei von Mammon will ich schreiten
Auf dem Feld der Wissenschaft,
Sinne ernst und nehm zuzeiten
Einen Mund voll Rebensaft.

(Joseph Freiherr von Eichendorff - A.d.R.)

25. März 2009 per SMS um 9:57 Uhr

heute ist nicht mein tag. objektiv ging kaputt ohne hinzufallen. muss mit dem bus zurück nach logrono. das fängt ja gut an...

per SMS um 13:02 Uhr

problem behoben und nix gekostet, weil ich mit kreditkarte bezahlt hab. ernsthaft: bin um 300 euro leichter, zum glück gabs 'nen media markt. hoffe auf "buenos dias", schöne fotos.

Tagebuchauszüge

Mittwoch, 25.03.2009
14:45 Uhr: Das war ein verdammt ereignisreicher Morgen. Also zunächst hat alles gut geklappt. Ich kam gut aus Navarrete raus, die Markierung mit den gelben Pfeilen war bombig. Ich fotografierte munter drauflos, die Eremita Santa Maria de Jesus mit dem Friedhof und den Grabkammern aus Beton, den Frühling mit den blühenden Bäumen, die Weinfelder und den Camino. Dann passierte es: zunächst spürte ich nur einen kleinen Widerstand bei der Betätigung des Zooms, doch kurz darauf ging nix mehr, Objektiv kaputt. Was tun? Einzige Möglichkeit: Mit dem Bus zurück nach Logrono, denn wer weiß, ob ich in den nachfolgenden kleinen Orten ein Objektiv kriegen kann. In Logrono habe ich ohne Erfolg sehr lange ein Fotogeschäft gesucht. Dann erinnerte ich mich an die hilfsbereite Dame im Fremdenverkehrsbüro, die so gut englisch sprach. Sie konnte mir auch diesmal weiterhelfen. "Fotocenter" war ein guter Tipp, oder "Media Markt" am Stadtrand, die entsprechende Buslinie bekam ich auch gleich genannt, denn "ein Taxi ist doch viel zu teuer:" Im Fotocenter gab es auch ein preiswertes Objektiv, doch leider der falsche Bereich, fast nur Tele, kein Weitwinkel für enge Gassen. Beim Media Markt hatte ich Erfolg.

media_markt_logronologrono

Fußweg bis zur zentralen Bussatation, 13:30 Uhr Abfahrt, nur 1,70 € für 25 km. Jetzt sitze ich bei strahlendem Frühlingssonnenschein doch leichter Kälte auf einem parkähnlichen Streifen in Nájera. Eine Frau, die sich als Christina vorstellte, wollte mir eine Unterkunft anbieten. Ich konnte ihr aber klarmachen, dass ich gleich noch weiter will.

20:05 Uhr: Nach der Aufregung des Morgens geht es mir jetzt wieder gut. In der "Bar Sevilla" in Azofra habe für 10 € ein tolles 3-Gang Pilgermenue incl. einer halben Flasche Roséwein bekommen. Heute übernachte ich der Gemeindeherberge in einem Zweibettzimmer für 6 €. Mein Zimmernachbar heißt Kirk und kommt aus Kanada. Er half mir auch, einen kleinen Laden zum Einkaufen von Vorräten zu finden. Jetzt sitze ich hier in der Unterkunft im Gemeinschaftsraum und höre mir das Sprachgewirr an. Etwas Fernöstliches ist auch dabei.

weinfelder am Caminoalbergue azofra

Donnerstag, 26.03. 2009
Gegen halb sieben stand heute morgen mein Bettnachbar auf, schlich sich absolut leise aus dem Zimmer, als er zurück kam, war ich bereits beim Packen, er entschuldigte sich, dass er mich geweckt hatte. Hatte er aber nicht.

Von Azofra ging es über viele Feldwege nach Ciruena. In der Ferne waren verschneite Höhen zu erkennen, im Vordergrund war Frühling. Ciruene war vielleicht ein irrer Ort, riesiges Neubaugebiet mit fertigen (Ferien?)häusern, Golfplatz, aber nahezu verlassen. Von den auf Schildern angekündigten Bars fand ich keine. Hatte bereits eine trockene Kehle, meine Vorräte ausgetrunken und musste dann noch 1,5 Std. bis St. Domingo de la Calzada gehen. Leider wurde die Kathedrale gerade renoviert, sodass ich weder die Chorstühle, noch den kunstvoll gearbeiteten Altar, noch die berühmten Hühner sah. Dafür sah ich eine Bar zum Durstlöschen von innen und eine zum Sonnen und Ausruhen von draußen In Granón passten die Einheimischen auf, dass ich mich nicht verlief. Ich bin bis Castildelgado geganden. Mit dem Hostal "El Chocolatero" bin ich zufrieden, das Essen war gut, nur im Zimmer ist es etwas laut wegen der nahen Nationalstraße. Muss mir gleich die Stöpsel in die Ohren stecken...

verschneite_hoehen_hinter_azofrakreuz und blüten am Camino

Wer geht, sieht mehr, als wer fährt.
Feine Leute mögen darüber ihre Glossen
machen.Das ist mir gleichgültig. Ich
bin der Meinung, daß alles besser gehen
würde, wenn man mehr ginge.

(Johann Gottlieb Seume,
der vor mehr als 180 Jahren seine
Wanderung von Sachsen nach Syrakus
machte.- A.d.R.)

27. März 2009 per SMS um 7:59 Uhr

gestern waren es 25 km. habe die provinz roja verlassen. alle leute sind sehr nett, rufen vom weitem, wenn ich falsch abbiege und wollen mich schon mittags in eine unterkunft einweisen. ob ich so kaputt aussehe? fühle mich recht fit, aber 15 kg rucksack merkt man...

Tagebuchauszüge

Freitag, 27.03.2009
11:30 Uhr: Heute mogen hätte ich fast meinen Pilgerausweis und meine Brille auf dem Bett im Hostal liegen gelassen, merkte es aber beim Bezahlen an der Rezeption. Im Augenblick sitze ich bei strahlendem Sonnenschein draußen vor der Albergue a santiago am Ortsrand von Beldorado. Die Herberge macht einen sehr sauberen Eindruck, Hotelzimmer sind auch vorhanden.

Abends: Nachdem ich mir Beldorado angeschaut habe und nochmals eine Pause am großen Platz gemacht habe, habe ich nochmal tüchtig aufgedreht und bin am Nachmittag wirklich noch die 13 km bis Villafranca gegangen. Beim allerletzten Lichtschimmer kam ich an. Nahm sofort das erste Fernfahrer-Hotel, Hostal "El Pajaro". Nach dem langen Tag war ich froh, dass ich im Bett lag.

Albergue a santiago Kirche Beldorado

Das Menschen Leben gleicht der Brille
man macht viel durch.

(Heinz Erhard - A.d.R.)

 

28. März 2009 per SMS um 12:50 Uhr

nach den wunderschönen frühlingstagen schneit es heute. was gestern grün war ist heute weiß. habe die dicken sachen angezogen. bin 25 km vor burgos.

Tagebuchauszüge

Samstag, 28.03.2009
Als ich heute morgen aus dem Fenster schaute, schneite es. Außerdem war es recht kalt geworden. Bis San Juan de Ortega hatte ich 12 km einsame Waldstrecke vor mir. Ab und zu überholten mich ein paar verschneite Gestalten, im übrigen war es ein ruhiger, landschaftlich schöner Wanderweg, der auch im Schnee seinen besonderen Reiz hatte.

In San Juan hatte ich doppeltes Glück, denn sowohl die Kirche als auch die Kneipe waren geöffnet. Ich besichtigte zunächst die Kirche und ging dann zum Aufwärmen in die Kneipe, wo ein Kaminfeuer brannte. Ich setzte mich in den Nebenraum, weil der kleine Tresenbereich stark verqualmt war. Kurz darauf kam Cindy aus Kalifornien mit ihrem Freund, der sie immer Sweety nannte. Die beiden hatte ich schon am ersten Tag kennengelernt, gerade, als mein Objektiv kaputt gegangen war. Sie aßen hier in San Juan einen Sandwich mit Tomate, ich trank die wohl kleinste Flasche Bier, die ich je gesehen bzw. getrunken habe.

Als ich rauskam, hatte es aufgehört zu schneien. Der weitere Weg ging leider viel an der Straße entlang. Sie war allerdings nicht sehr befahren. Atapuerca hatte ein schönes ung gut besuchtes Restaurant, ich habe zwei Sandwich mit Serano-Schinken gegessen. Die Anhöhe von 1078 m erreichte ich gut, danach war der Hund verfroren. In Cardenella gab es keine Herberge mehr, nur ein geschlossene Bar. Ein Lichtblick war dann in Orbaneja die Bar, die von einer älteren Frau mit vielen Zahllücken und wenigen Zahnstümpfen geführt wurde. Sie schimpfte ihren Gehilfen dauernd aus. Es war etwa 19:00 Uhr. Ich habe mich nach draußen verzogen, weil drinnen eine ziemliche Enge und ein unerträglicher Qualm war. Obwohl es schon recht spät war, musste ich mich erst einmal hinsetzen, eine halbe Stunde Pause machen und die Beine ausstrecken. Zum Schluss war die Streckenführung noch ganz anders, als auf der Karte eingezeichnet. Ich musste einen Riesenbogen an einem langen Zaun entlang machen. Dahinter war ein neuer Flugplatz gebaut worden. Ich ging noch über ein Stunde im Dunkeln, konnte aber, da ich auf der Straße war, mich nicht verlaufen, sah auch von weitem die Lichter der befahrenen Hauptstraße, die nach Burgos reinführte. Heute waren es 32 km.

schnee_montes_ortega Altar Kirche San Juan de Ortega

Ich reibe mir Morpheus Arme aus den Augen,
werfe mir den Hut um die Schulter und lebe sinnlos mäßig.

(Heinz Erhard - A.d.R.)

30. März 2009 per SMS um 19:12 Uhr

nach 2 tagen mit einiges über 30 km gönne ich mir heute nur 22 km und ein richtiges hotelzimmer. habe schon viele invaliden gesehen, die kaum noch kriechen konnten - eine österreicherin ging in badelatschen. habe gestern burgos durchquert, 15 km pflastertreten, aber eine tolle kathedrale - gefühlt 3 mal so groß wie der kölner dom!

Kathedrale burgosKathedrale burgos innen

Tagebuchauszüge

Montag, 30.03.2009
Habe diese Nacht in der Gemeindeherberge von Hornillos nicht so gut geschlafen, musste zur Toilette und beim Herauskriechen aus dem Schlafsack taten mir die Knochen oder beser gesagt die Muskeln weh. Aber am Morgen war der Muskelkater vorbei. Ich konnte um 08:05 starten. Angenehm war die erste Rast in "San Bol". Der junge Mann, der die Herberge übernommen hat, ist Brasilianer und sehr gastfreundlich. Kaffe gibt es gegen Spende. Zwieback und Gebäck auch. Er ist dabei, das Haus zu renovieren, will noch eine Wand ziehen und es vergrößern.

St. bol am Camino francésTex in St. Bol

Weiter ging's über Hochflächen nach Hantonas. Dort habe ich Makkaroni gegessen. Tolle und leckere Portion. Als ich gut 20 Minuten saß, kamen die Österreicher herein, die im gleichen Zimmer übernachtet hatten. Die Ältere (Mutter von der jungen) ging in Badelatschen oder Clogs, weil ihre Füße so kaputt waren und sie nicht mehr in die Wanderschuhe kam. Die drei rauchten wie die Weltmeister. Ich bekam einen Schluck von ihrem selbstgebrannten Vogelbeerschnaps zum Probieren ab.

Bar in HontanasBar in Hontanas

Der Weg bis zur Klosterruine Covento St. Anton war angenehm. Die Straße führte direkt durch die Ruine. An einer Mauer machte ich Pause, probierte meinen neuen MP 3 mit Farbdisplay ausder wohl ein i-pot ist. Super. Bis Castrojeriz war es dann nur noch ein Spaziergang. Weil ich noch zur Siestazeit eintraf, fand ich zunächst keine Unterkunft. an einem Hotel klingelte ich vergeblich. Aber dann war es ganz einfach in der kleinen Bar/Hostal La Taberna klappte es. Habe Wäsche gewaschen und hatte danach eine Müdigkeitswelle. Dann bin ich runtergegangen. Es hatten sich schon einige Pilger versammelt, die auf den Beginn des Abendessen warteten. Im Restaurantraum saßen wir dann alle an einem Tisch und bekamen ein Pilgermenue für 9,- € incl. Wein: Die drei Österreicher, der Holländer Frans, der Schwede Michael (mit mindestens zwei Doktortiteln), der Däne Hans, der Brasilianer von St. Bol und ich als Deutscher. Tolle Stimmung, Unterhaltung in mehreren Sprachen. Zuerst ging es darum, welche Stadt die Hauptstadt von Holland ist. Die meisten meinten, es sei Den Haag. Der Holländer Frans klärte uns auf: Den Haag ist der Regierungssitz, Amsterdam ist die Hauptstadt, wie früher in Deutschland Bonn und Berlin. Dann erzählte der Schwede Michael (67), dass er bereits am 11.04. in Santiago sein wolle, schließlich sei er Marthonläufer und deshalb habe er einen Tagesdurchschnitt von 40 km geplant. Hans flüsterte mir zu: "Das schafft der nie." Michael hat mindesten zwei Doktortitel, vielleicht ist er sogar Profesor. Er erzählte, dass er auf Mallorca ein Haus von 700 qm Wohnfläche habe und Ostern dort seine ganze Familie, die 5 Kinder von seinen 2 Fauen und die Enkelkinder, um sich versammelt. Deshalb muss er sich so beeilen.

Das war ein Abend nach meinem Geschmack. Nur geschlafen habe ich nicht ganz so gut, als ich um halb sieben auf die Uhr schaute, waren es gefühlte halb fünf.

Klosterruine Covento St. Antonsechs Nationalitäten

So vieles gibt es immer noch,
Das hab ich nie gesehn,
Ist anders doch in jedem Jahr
Das Grün des Frühlings schön.

(J.R.R. Tolkien "Der Herr der Ringe Bd.1 Die Gefährten - A.d.R.)

31. März 2009 per SMS um 20:28 Uhr

was mich beeindruckt sind vor allem die leute, die hier unterwegs sind. gestern der schwedische doppeldoktor, der als marathonläufer 40 km am tag schaffen will. dann die leute, die total kaputte füße haben und trotzdem weiter gehen. vor allem: eine idee und ein ziel.

Tagebuchauszüge

Dienstag, 31.03.2009
19:03 Uhr: Bin in Fromista in die Herberge gegangen. die ist relativ gut belegt. Die Übernachtung mit Frühstück kostet 9;50 €. Sie ist von den bisherigen Pilgerherbergen die einfachste und teuerste. Noch ein Nachteil: Die unteren Betten waren alle belegt. Das kann unangenehm werden, wenn ich heute Nacht wieder pinkeln muss. Da es in dem Haus kalt und ungemültlich ist, haben sich viele der Übernachtungsgäste in das Hotel St. Martin verzogen. Ich auch.

Situationsbeschreibung: Ich sitze allein an einem runden Tisch in der Ecke, weil ich noch jede Menge Eintragungen machen will. Vor mir am Nachbartisch führt Hans eine rege Unterhaltung mit seinen Tischnachbarn. Das sind: der Deutsche (auch ein Marathonläufer), der bereits am 16. in Santiago sein will, um seine Frau zu treffen. daneben eine Schwäbin, ein junger Mann aus Deutschland und ein Mann aus Flandern. Rechts an einem anderen Tisch spielen die stets qualmenden Österreicher Karten. Die anderen kenne ich noch nicht.

Heute morgen bin ich um 08:30 gestartet. Der Aufstieg zum Tafelberg war auf dem breiten Camino ein besserer Spaziergang. Als erster überholte mich der schwedische "Doppeldoktor", dann der Däne Hans. Er war kräftig am schwitzen. "Der Wein von gestern muss raus." Der weitere Weg war gut zu gehen. Pausen machte ich in Itero de la Vega und Boadilla del Camino. In Boadilla lernte ich einen lustigen Deutschen und drei Irinnen kennen. Die Damen hätten so geren ein richtige Bad gehabt, um ihre müden Beine zu entspannen. Das gab es in der Herberge aber nicht. Ich verwies sie auf den Swimmingpool. Das lehnten sie dankend ab. Sie lobten mich wegen meiner guten Sprachkenntnisse und der Aussprache. Der weitere Weg bis Formista zog sich dann doch noch sehr, vor allem die Strecke am Canal de Castilla wollte nicht enden. Zum Glück war der Akku meines neuen MP3-Players noch gut beladen. Das Gerät hat mich bestens mit Musik versorgt, da es schon später Nachmittag war und ich allein auf der Strecke, konnte kräftig mitsingen, ohne jemanden zu verschrecken.

Tafelberg CatrojerizKirche Formista

Was murmelt’s Bächlein dort und rauscht,
so lustig hin durch’s Rohr,
Weil’s frei sich regt, mit Wonne lauscht
ihm dein empfänglich Ohr.

(Friedrich W. Möller - A.d.R.)

 

01. April 2009 per SMS um 14:25 Uhr

nach den kalten und windigen tagen ist der frühling zurück. die sonne läßt ahnen, wie anstrengend der weg im sommer sein kann. trotz 700 m höhe ist es flach wie in ostfriesland. der canal de castilla sieht aus wie der ems-jade- kanal hinter sande.

Tagebuchauszüge

Mittwoch, 01.04.2009
Heute morgen war das Frühstück in der Herberge in Formista sehr spärlich."Gleich kommt der Stramme Max", meinte der Belgier. War aber nichts. Der Weg ging zunächst an der Straße entlang bis Poblacion de Campos. Nach der Brücke über den Rio Uzieza ging es dann am Fluss entlang. Ich öfnete um 10:48 Uhr die kleine Bar in Vilmentero. zunächst trafen die beiden Tchechen ein, die sich darüber beschwerten, dass es das Bier nur in Kinderportionen gab. Und dafür sei es zu teuer. Später kamen noch die jungen Verliebten und Frans, der Holländer, der erst einmal ausgiebig frühstückte. Später erzählte er noch, warum er Zigarren rauche: 1944, als er ganz klein war, war ein ganz schlimmes Jahr in Holland, es gab nichts zu essen. Deshalb nährte ihn seine Mutter das ganze Jahr lang aus ihrer Brust, und seitdem braucht er immer etwas, an dem er ziehen kann, und das sind heute eben die Zigarren.

Der weitere Weg ging an der Landstraße Straße entlang, zum Glück gibt es inzwischen einen separaten Pilgerweg. Mir gelang es nach mehreren Versuchen, den Selbstauslöser zu betätigen. Jetzt bin ich auch auf dem Camino verewigt.

Tex vor Villalcazar

Der kleine Ort Villalcazar hat eine riesige Kirche, die aber leider wieder geschlossen war. Zum Glück hatte die gemütliche Bar "Las Cantigas" gegenüber geöffnet, wo es zum Bier kleine Schnittchen gab. (Wer in dieser Region viel Bier trinkt, braucht gar nichts mehr zu essen zu bestellen, um satt zu werden, weil es immer kleine Happen dazu gibt). Dann wieder weiter an der Landstraße entlang bis Carrion de los Condes. Ich nahm ein Zimmer im Hotel "La Corte", sehr gut, mit großer Badewanne, aber auch teuer (35 €) Das Abendessen nahm ich im Restaurant des Hotels ein. Ich traf Frans, der viel erzählte während die andern zuhörten und die Amerikanerin auch Maine mit den kaputten Füßen. Sie muss drei Tage aussetzen, hat der Arzt gesagt. Sie fährt jetzt bis Leon mit dem Bus, ruht sich aus und geht von dort weiter. Frans vertraute uns noch ein Geheimnis an: An dem Abend in Castrojeriz, als wir mit mehreren nationen am Tisch saßen, hatte er etwas viel Wein getrunken. Da er früh schlafen gehen wollte, brach er als erster auf, hat sich auf dem Weg zur Herberge aber so gründlich verlaufen, dass er am anderen Ortsende landete, die Polizei um Hilfe bat, die ihn dann zum richtigen Haus brachte.

Kirche Villalcazarhostal_la_corte_carrios

 

Die Wirtsleut und die Mädel,
die rufen beide: "O weh, o weh."
Die Wirtsleut wenn ich komme,
die Mädel wenn ich geh, ja geh.

(Albert Graf von Schlippenbach - A.d.R.)

02. April 2009 per SMS um 18:54 Uhr

heute habe ich die beste pilgerherberge der ganzen strecke, heißt Los templarios, alles neu. eröffnung erst gestern, man könnte vom boden essen. 6 euro für übernachtung, ganz ruhig, vor der alten templerstadt terradillos. noch 469 km zum ziel, 236 zurückgelegt. kondition ist blendend, weil ich keinen dicken hintern tragen muss.

Tagebuchauszüge

Donnerstag, 02.04.2009

Gestartet bin ich in Carrion de los Condes ohne Frühstück gestartet. die Geschäfte waren auch noch geschlossen. Es ging los mit dem wahnsinnig langen und eintönigen Stück von ungefähr 17 km auf der alten Römerstraße, gerade, wie mit dem Lineal gezogen bis Canzadilla. Keine Einkehr unterwegs, auch der versprochene Imbisswagen war nicht da. Pause machte ich auf der Hälfte der Strecke an einem Rastplatz mit nicht trinkbarem Wasser. Da traf ich eine ganze Reihe von meinen nun schon Bekannten wieder. Am meisten bewunderte ich die Schwäbin mit ihrem Enkel Tobias, der nur klagte. Nicht einmal seine Schulter durfte man anticken, weil sie ihm so weh tat. Seine Oma musste noch ein Teil seines Gepäcks in ihren Rucksack nehmen. Später erfuhr ich von ihr, dass er, obwohl inzwischen 18 Jahre alt, ein hyperaktives Problemkind ist. Seine Oma ist seine Betreuerin, und der Weg auf dem Camino ist eine therapeutische Sache, weil er endlich mal lernen soll, sich durchzubeißen und etwas Angefangenes auch zu beenden. Deshalb muss sie ihn auch mal hart anfassen und auf der anderen Seite geduldig das wehleidige Klagen anhören. Mich schien er übrigens in Herz geschlossen zu haben, denn er schenkte mir, was ich ganz toll fand, eine Packung Kaugummi.

Römerstraße nach CanzadillaRömerstraße nach Canzadilla 2

In Canzadilla machte ich Pause im Hostal, das gerade umgebaut wurde. Ich aß ausgezeichnete Spagetti für 5,50 € incl. einem Glas Rotwein. Weiter ging's mal wieder an der Straße entlang bis nach Ledigos, von dort war es nur noch ein Katzensprung bis Terradillos. Ich übernachtete in der neuen Herberge "Templarios", die gerade am Vortag aufgemacht hatte. Alles ruhig, sauber und Internet sogar kostenlos. Habe mich wieder mit dem Engländer aus dem Jemen (oder Libanon?) unterhalten. Die drei irischen Damen sind auch da und ebenfalls von dem Haus begeistert.

Kirche LedigosAlbergue Templarios

 

Manchmal hat es wirklich keinen Sinn,
die Stirn zu fletschen und die Zähne zu
runzeln.

(Heinz Erhard - A.d.R.)

3. April 2009 per SMS um 8:14 Uhr

mit gut schlafen war es nicht ganz so viel, weil ein schnarchvirtuose die grosse nachtmusik aufgeführt hat. konnte meine stöpsel nicht finden und habe mir 2 viertel tempotücher in die ohren gesteckt.

per SMS um 19:24 Uhr

die heutige herberge ist ganz anders als die gestrige, noch traditionell mit lehm gebaut, uralte balken, für essen und übernachtung kann jeder so viel geben wie er will.

Tagebuchauszüge

Freitag, 03.04.09
Heute war ein Super-Tag. Begonnen hatte es in er Nacht allerdings mit Schlafstörungen, weil einer der Gäste wie ein Weltmeister schnarchte.

Als ich am Morgen losging, hatte es gefroren, das Gras war mit Raureif bedeckt. Das Wetter versprach gut zu werden. Bereits hinter Moratinos konnte ich den Annorak ausziehen. Das machte ich an einem kleinen Picknick-Platz. Gleichzeitig entsorgte ich meine Lesebrille, die in der Mitte durchgebrochen war. Zum Glück habe ich eine Ersatzbrille von Schlecker mit. Als ich gerade losgehen wollte, kam eine Frau an. Wir begrüßten uns auf englisch. Ich erfuhr, dass sie Spanierin ist und gerade gestartet war. Sie hatte sich mit dem Auto bringen lassen. Ich glaubte, sie wollte mich überholen und trat zur Seite. Doch sie sagte "Come on", und wir gingen zusammen. Wir unterhielten uns von Anfang an gut und hatten das gleiche Tempo, so dass wir nebeneinander gehen konnten. An der Eremita Virgen del Puente machten wir ein Pause und trafen auf Kirk, den Kanadier und Jzong, die Koreanerin. Hier erfuhr ich, dass meine Begleiterin Paqui heißt, weil alle Franciscas in Spanien Paqui heißen. Als wir weitergingen, vereinbarten wir, dass jeder dem anderen sagen müsse, wenn er allein weitergehen wolle oder Ruhe haben will.

An der Ermite de Parales machten wir eine weitere Pause, tranken wir in Ermangelung eines echten Biers ein virtuelles. Von nun an leiteten wir jede Pause mit einem "Let's have a beer" ein, und wenn wir keine Pause nötig hatten, stellten wir fest, dass wir genug (gedachtes) Bier getrunken hatten und bis oben hin voll waren. Schon kurz nach drei kamen wir an der Herberge Bercianos an, ein altes uriges Haus mit Lehmwänden, überaus freundliche Begrüßung von den beiden Damen. Die italienische Köchin verriet mir übrigens, dass ich eine unheimliches Glück hätte, denn heute abend gäbe es deutschen Kartoffelsalat.

Hinter MoratinosErmita de Parales

Paqui wollte sich frisch machen und ein wenig ausruhen, ich wollte nach den virtuellen Bier ein richtiges trinken und suchte eine Bar. Obwohl Bercianos gar nicht groß ist, war das nicht so einfach im Gewirr der Dorfstraßen. Schließlich fragte ich einen Rollstuhlfahrer, der fuhr voran und zeigte mir den Eingang. F ür sein Fahrzeug musste er den Nebeneingang nehmen. Hier in de Bar sitze ich jetzt und mache meine Tagebucheintragungen. Drüben sitzen die Österreicher, rauchen und spielen Karten. Ich trinke ein real cerveza. (Man beachte die Doppeldeutigkeit des Wortes "real", in unserem Sinne als "wirklich", und spanisch als "königlich".)

Albergue de Peregrinos Bercianos del Real CaminoHerbergsleiterin Bercianos

Für 20:00 Uhr war das gemeinsame Abendessen angesetzt, es begann aber etwas später, weil die Tschechen noch nicht von ihrem Barbesuch zurück waren und erst per Anruf herbei geordert werden mussten. Als Vorspeise gab es den versprochenen kartoffelsalat. Er war allerdings etwas gewöhnungs-bedürftig, denn außer Kartoffeln enthielt er wohl als einzige Zutat noch etwas Mayonnaise. Hauptgericht waren Spagetti mit einer leckeren Soße. Die füllige Koreanerin, die wir unterwegs einige Male überholt hatten, während sie aß, vermischte den übriggeblieben Kartoffelsalat mit den Spagetti und die italienische Köchin stieß einen lauten Schrei aus und fiel wegen dieser barbarischen Sitten fast in Ohnmacht.

Köchin Bercianos


Abendessen in Bercianos

Während des Essens wurden wir auf drei Traditionen des Hauses aufmerksam gemacht:

1.) Die Gäste spülen ihr Geschirr selbst
2.) Gemeinsam kann der Sonnenuntergang beobachtet werden
3.) In einer kleinen Andacht kann man, wenn man will, gemeinsam in den unterschiedlichen Sprachen beten

Unter Führung von Vorspüler Kirk hatte sich sehr schnell eine eifrige Spülcrew gebildet, der Rest der Truppe versuchte mindestens seinen guten Willen zu zeigen beim Abtrocknen oder Geschirrweg-räumen. Der Sonnenuntergang sollte erst abgesagt werden, doch dann verzogen sich einige Wolken und das gemeinsame Erlebnis konnte doch stattfinden. Beim Beten saßen wir auf Stühlen an den Wänden des Andachtraums. In den gängigen Sprachen wurden Gebete ausgehändigt, man wechselte sich ab, so dass die jeweilige Fortsetzung in einer anderen Sprache erfolgte. Der Tscheche sang in seiner Sprache eindrucksvoll das Vaterunser, Paqui kam mir ein wenig verloren vor, weil sie die einzige Spanierin war. Dann wurde eine brennende Kerze herum gereicht, jeder konnte etwas sagen, danken, wünschen. Ich bedankte mich für die Kraft, die ich bisher hatte, wünschte sie mir auch weiterhin und allen anderen auch.

Gemeinsames Spülen BercianosSonnenuntergang Albergue Bercianos

Es war ziemlich kalt geworden. Ich machte mit Paqui noch einen winzigen Ortsrundgang, dann kroch ich in meinen Schlafsack, weil das der einzige Ort war, wo es warm war.

Balken Herberge BercianosBetten Herberge Bercianos

Samstag, 04.04.2009
Das Frühstück wurde wieder gemeinsam eingenommen. Als erstes erkundigte sich die italienische Köchin bei der Koreanerin, ob sie denn die Mischung aus Kartoffelsalat und Abendessen gut vertragen habe. Hatte sie, denn beim Frühstück entwickelte sie schon gleich wieder ihren gesunden Appetit. Ich fragte Paqui, ob sie wieder mit mir gehen wollte und freute mich darüber, dass sie sehr selbstver-ständlich zustimmte. Auch an diesem zweiten Tag ging uns der Gesprächsstoff nicht aus, wir lachten viel und schwiegen, wenn uns danach zumute war. Während Geist und Phantasie ausreichend beschäftigt waren, zog sich der Weg für die Füße ganz schön hin, vor allem auf den 12 km von El Burgo Ranero bis Reliegos. Bei der guten Hälfte, d.h. vor Villamarco, glaubten wir bereits, wir hätten es geschafft. Irrtum, es waren noch weitere 5 Kilometer. Da war noch eine "beer-Pause" ohne beer fällig.

Paqui Abmarsch BercianosPaqui und Tex Pause am Camino

Dann kam der absolute Höhepunkt, die Bar in Reliegos, die wie der "Last Chance Inn" im Wilden Westen aussah und von uns "Oasis" genant wurde. Der Wirt hinter der Theke nahm auch beim Essen Servieren die Zigarettte nicht aus dem Mundwinkel, hinten an der Wand waren unzählige Sprüche und das absolut passende Prunkstück war das Bild von einer mit Palmen bewachsenen Insel im Ozean. Wir bestellten uns eine Kartoffel-Tortilla (Tortilla-Patata), und die war ausgesprochen lecker. Vor dem Tresen hatten sich einige Einheimische versammelt, links von uns saß unsere koreanische Freundin, die selbstverständlich auch wieder am essen war. Aus dem Lautsprecher erklangen die neuesten Hits von Elvis Presley, danach ertönten argentinische Tangomelodien. Der Wirt erzählte, dass im Sommer etwa 400 Pilger täglich sein Lokal aufsuchen. Gut gesättigt und "getränkt" traten wir danach wieder hinaus in das strahlende Licht.

Bar ReliegosWirt Bar Reliegos

Übernachtung in der Albergue in Mansilla de las Mulas. Der Hospitalero ist Wolf Schneider aus dem Rheinland. Er hatte sein Büro noch nicht geöffnet, wies uns aber an, schon mal ein Bett zu suchen. Leider waren die unteren Betten alle schon belegt und die Zimmer relativ voll. Wir reservierten mit unseren Schlafsäcken obere Betten und waren nicht sehr glücklich darüber. Nach dem Duschen machte ich einen kleinen Rundgang durch den Ort, also ich zurückkam, lagen unsere Schlafsäcke nicht mehr an ihrem Platz. Wolf Schneider hatte inzwischen einen anderen Teil des Hauses geöffnet und Paqui war so clever gewesen, viel bessere Betten, unten, in einem schöneren Zimmer, nicht weit von den sanitären Anlagen entfernt, zu belegen.

Wolf Schneider führt bereits mehr als 10 Jahre diese Herberge. Während der Anmeldung ließ er einigen Frust ab, bezeichnete seine Herberge als Irrenhaus, den Camino als längste Therapiestrecke der Welt, sieht immer mehr Irre und immer weniger echte Pilger, viele die saufen, viele die zum Saufen auf die Strecke gehen, "weil hier der Alkohol so billig ist. Heute Morgen musste ich wieder jede Menge leere Flaschen in die Container bringen."

Am Nachmittag setzten wir uns an einen Tisch in der Ecke des Hofes und sahen im wahrsten Sinne des Wortes einen Film ablaufen: einer der Comparsen war einem Idianer nicht unähnlich, ein Deutscher, der sagte, er sei Rechtsanwalt,, hatte sich als "Boy Scout" verkleidet und trug ein langes Fahrtenmeser sichtbar am Gürtel, offenbar ohne sich über die spanischen Waffengesetze schlau gemacht zu haben. Eine Krankenstation wurde eröffnet, Blasen behandelt, Füße umwickelt, Schultern massiert. Als Abendessen nahmen wir in einem kleinen Cafè nur etwas Kuchen und eine leckere gefüllte Fleisch-tasche zu uns. Alles war sehr lecker, Paqui hatte diese Spezialitäten ausgesucht.

Wolf Schneider Albergue Mansilla de las MulasPaqui

Schläfst du? oder wälzest du dich auf
betränetem Lager?
Leidendes Mädchen, die du tief mir die
Seele gerührt?
Still und hehr ist die Nacht; die Sternlein
zittern am Himmel,
Und wehmütiges Licht streuet der Mond
durch die Nacht.

(Ludwig Uhland 1787 – 1862 – A.d.R)

6. April 2009 per SMS um 16:54 Uhr

war 3 tage mit einer netten spanierin unterwegs, sie fühlte sich manchmal wie eine fremde im eigenen land bei den vielen nationalitäten. wir sprachen über gott und die welt, la paloma und aldi. als wir uns in leon trennten, waren wir beide todtraurig. adios paqui.

Tagebuchauszüge

Sonntag, 05.04.2009
21:45 Uhr: Ich bin sehr traurig. Paqui hatte sich ja, was sie mir schon am ersten Tag gesagt hatte, in León mit einem Freund verabredet. Damit war unsere gemeinsame Tour heute Nachmittag beendet.

Heute morgen waren wir die ersten, die starteten. Die Strecke war recht eintönig, meist an der Nationalstraße entlang. An manchen Stellen konnten wir noch nicht einmal nebeneinader gehen, weil das wegen des Autoverkehrs zu gefährlich war. In León nahm sie den direkten Weg zur Herberge, wir verabschiedeten uns. Ich besichtigte das Pantheon und ging dann in die Kathedrale. Da wartete sie nochmal auf mich. Vor einer Bar saßen wir dann noch draußen, aßen Spezialitäten und versuchten den endgültigen Abschied noch ein wenig hinaus zu zögern...

Ich bin noch bis Virgen del Camino gegangen, saubere Herberge, die ein wenig an eine Turnhalle erinnert. Vielleicht hat man sie zu einem Unterkunftshaus umgebaut. Hatte eben zum ersten Mal Gelegenheit, französisch zu sprechen mit einer der Schwestern. Obwohl sie in der Nähe der Grenze wohnen, sprechen sie kaum deutsch.

Basilika San IsidoroKathedrale León

Kathedrale Leon Rosette

Montag, 06.04.2009
Heute Morgen hatte ich eine ziemliche Geschwindigkeit drauf. Ich hatte mich für die längere, aber interessantere Route entschieden, die weitab von der Nationalstraße verlief. Ich freute mich über meine Super-Kondition. Ohne eine größere Pause gemacht zu haben war ich schon kurz vor drei in Hospital de Orbigo, dem Ort mit der berühmten 20-bogigen Brücke aus dem 13. Jahrhundert. Auf der Brücke traf ich u.a. die Tschechen, die aber für heute Schluss machten. Ich machte nur eine längere Pause im Gasthasu/Hotel am Ende der Brücke und ging dann weiter. Das Wetter hatte sich verschlechtert, es war windig und kühl geworden, als ich wieder rauskam. Den weiteren Weg bis San Justo de La Vega empfand ich als nicht anstrengend. Einmal bekam ich richtig Angst, als auf einem einsamen Wegstück drei riesige Hunde frei und ohne Begleitung herum liefen. Zum Glück nahmen sie keine Notiz von mir, da nicht weit entfernt ein Paar mit einem Hund spazieren ging, dem sie ihre Aufmerksamkeit schenkten. In St. Justo habe ich im Hotel "July" ein preiswertes Zimmer bekommen, das nach hinten rausgeht. Das ist gut wegen der vorm Haus vorbei laufenden Nationalstraße.

Camino hinter VirgenBrücke Hospital del orbigo

 

 

Freunde, hütet euch vor diesen,
die da husten, wenn sie niesen! ...

(Heinz Erhard - A.d.R.)

7. April 2009 per SMS um 10:36 Uhr

gestern hab ich 38 km geschafft und das mit 15 kg rucksackgewicht, heute ist halbzeit, habe noch 350 km bis finisterre, 260 km bis santiago. mache gerade eine pause in astorga. gleich geht's in die berge von leon. oben ist noch schnee zu erkennen.

per SMS um 21:55 Uhr

heute überlegte ein deutscher, ob er bleiben soll. plötzlich: ich geh noch 10 km, da kommt mein bettnachbar aus leon. wer kam? mein schnarchkonzertmeister aus terradillos. auch ich ging fluchtartig weiter bis rabanal zu einer schönen herberge, einer englischen bruderschaft, refugio gaucelmo, hoffentlich ohne konzert.

Tagebuchauszüge

Dienstag, 07.04.2009
20:30 Uhr: Heute war ich mit den Kilometern wesentlich bescheidener, es waren gerade mal 23. Bis Astorga brauchte ich etwa eine Stunde, lange vor 10 war ich in der Altstadt, die Marktstände wurde gerade aufgebaut. Den von Gaudi entworfenen Bischofspalst nahm ich im schönsten Morgenlicht auf. Die Kathedrale war zum Teil mit einem Gerüst eingekleidet, drinnen machte ich nur eine Aufnahme, weil das fotografieren verboten war, und ich nicht erwischt werden wolllte. Um halb zwölf verließ ich Astorga, eine Mittagspause machte ich an einer geschützten Stelle vor der Ermita de Ecce Homo, denn obwohl die Sonne schien, hattte der Wind mächtig aufgedreht. Die nächste Rast machte ich erst in Santa Catalina de Somozza vor der Gaststätte. Hier traf ich wieder jede Menge Jakobspilger, u.a.Harry, den Holländer, der in Krefeld aufgewachsen war und sich Gisela aus Ostfriesland als geduldige Gesprächspartnerin ausgesucht hatte. Auch die Tschechen kamen gerade an, sie müssen leider in zwei Tagen Schluss machen. Der Mann, den ich wegen seines Aussehens "Schmetterlingsfänger" getauft hatte, ging vorbei, ohne seinen Blick nach rechts zu uns zu wenden. Ein Hamburger flüchtete mit mir vor dem Schnarchmonster. Lieber wollten wir noch die 10 Kilometer bis Rabanal gehen, als uns nochmal einer derart gestörten Nachtruhe auszusetzen.

Astorga Bischofspalast Astorga

In Rabanal wäre ich fast in die falsche Herberge reingegangen, zum Glück war die besetzt. Ich wollte doch zu den den englischen Brüdern "Confraternity of Saint James" ins Refuio Gaucelmo. Dort fühlte ich mich vom ersten Augenblick an wohl, während die anderen, die in der privaten Herberge abgestiegen waren, gar nicht so recht zufrieden waren. Schon der Empfang war überaus herzlich, der augenblickliche Verwalter trug mir sogar meinen Rucksack rauf in den Schlafraum, nicht ohne zu stöhnen, das das der schwerste Rucksack des Jahres sei. Habe dann in Hotel "El Refugio" gegessen. Wärend des Essens setze sich ein Franzose auf den Boden mit dem Rücken an die Wand, musste dann aber die Beine lang machen, nicht ohne zu betonen, dass er nur leichte Kreislaufprobleme habe. Als alles vorbei war, ließ er sich sein inzwischen kalt gewordenes Essen noch einmal aufwärmen.

Gaucelmo RabanalHerberge Gaucelmo bei Nacht

Die Heimat schrumpft, die Welt wird groß,
Mit tausend Pfaden schrankenlos,
Durch Dämmerung zum Rand der Nacht,
bis alle Sterne sind entfacht.
Dann umgekehrt, und geradeaus
Geht's heim ins warme Bett und Haus.
Nebel, Schatten, Wolkenwand,
Seid verbannt! Seid verbannt!
Herd und Lampe, Brot und Fett,
Und dann zu Bett! Und dann zu Bett!
(J.R.R. Tolkien "Der Herr der Ringe Bd.1 Die Gefährten - A.d.R.)

8. April 2009 per SMS um 21:40 Uhr

habe mir gestern nach 360 km den luxus einer winzigen blase erlaubt. verrutschter socken oder ähnliches. bin kurz vor ponferrada. für 30 euro tolles einzelzimmer im meson el palacio. 8,60 menü mit tischwein inclusive .

Tagebuchauszüge

Mittwoch, 08.04.2009
Im Refugio Gaucelmo gab es zwar trotz der englischen Trägerschaft kein englisches Frühstück, aber satt wurde man von dem getoasteten Kuchen mit Margarine und Marmelade schon. Die Bezahlung für Übernachtung und Frühstück hing wieder von der Spendenfreudigkeit rinrd jeden einzelnen ab. Der Hospitalero (für zwei Wochen, dann wird er abgelöst) sprach nochmal meinen schweren Rucksack an und erzählte von den vielen jungen Leuten, die gänzlich unvorbereitet die Tour machen. Ich sagte ihm, dass ich im Gegensatz zu diesen aber ein erfahrener Wanderer sei, und er meinte, ich solle nicht alles so ernst nehmen, was er sich in seinem "silly English mind" so alles ausdenke.

Mit dem "Schmetterlingsfänger" verließ ich das Haus. Die Sonne ging gerade auf. Nach Verlassen des Dorfes nahm ich einige tolle Farbeffekte im Morgenlicht in mich und auch mit der Kamera auf. In Foncebadón kam ich schon um 9:15 Uhr an. Das Dorf ist längst nicht mehr verlassen, wie es noch in älteren Reisführern und -berichten steht. Mehrere Unterkunftshäuser und Einkehrmöglichkeiten bieten sich an. Auch von den wilden Hunden erblickte ich keinen einzigen. Ein müder Hundeveteran lag vor einem Café, ein jüngeres Hundeexemplar war eine Katze, die gestreichelt werden wollte. Für ein Bier war es noch zu früh. Trotzdem machte ich eine Pause bei einem leckeren Milchkaffeeund trank das Bier danach.

Sonnenaufgang Kirche RabanalSonnenaufgang hinter Rabanal

Französische Wandergruppe hinter Rabanal

Als ich das Haus verließ, war leichter Nebel aufgekommen. Am eisernen Pilgerkreuz "Cruz de Ferro" war er schon ziemlich dicht, trotzdem machte ich an diesem markanten Punkt, an dem so viele Pilger ihre Spuren in Form von abgeladenen Steinen hinterlassen hatten, einige Aufnahmen. Danch ging es noch rauf zum Pass in 1532 Meter höhe, dann anfangs ziemlich steil abwärts, insgsamt etwa 900 m bis Molinaseca. Hier wohne ich im Palast, so heißt das Hotel: Hostal el Palacio. Am späten Nachmittag hatte ich noch ein interessantes Gespräch mit einem Ehepaar aus Köln, das mit einem Wohnmobil unterwegs. Von der Ostfriesin Gisela erfuhr ich die letzten Neuigkeiten vom Camino. Harry, der Krefelder aus Holland ließ sich für die heutige Tagesstrecke fahren, damit seine Achilles-Sehne nicht reißt, ebenso bBob aus Kanada, der Probleme mit der Bandscheibe hat. Gisela ging noch weiter zur Pilgerherberge, ich genoß das Abendessen im Palacio und den Komfort meines Einzelzimmers.

Tex am Cruz de FerrroCruz de Ferro

Donnerstag, 09.04.2009
Heute morgen bin ich durch den noch schlafenden Ort Molinaseca gegangen. Obwohl er so nah an Ponferrada liegt, hat er seinen eigenen Charme. Am Ortsende, direkt an der Landstraße, lag die Herberge. Ich war doch ganz froh, dass ich die luxeriösere Variante des Hotelzimmers vorgezogen hatte. Noch vor zehn kam ich in Ponferrada an. Die Altstadt gefiel mir sehr gut, der Weg heraus zog sich allerdings, und ich musste dringend Pippi. Da ich meine Hose noch ein paar Tage länger anziehen wollte, flüchtete ich ein ganz gewöhnliches Vorstadtcafé, das sich nicht nur als druckbefreiend sondern auch noch als recht gemütlich erwies.

Castillo del Temple Ponferrada

Ponferreada Gorßer PlatzPonferrada altstadt

Ab Componaraya fing es an zu regnen. Der Regen wurde schnell stärker. Am Ortseingang von Cacabelos hatte ich keine Lust mehr, das erst Hotel sah teuer aus, ich fragte trotzdem, denn ich hatte gehört, dass die Pilgerherberge geschlossen sei, so dass ich alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen wollte. Die junge Dame meinte, sie seinen ausgebucht, ich würde im Ort auch wenig Glück haben. Stimmte aber nicht. Ich war erst wenige Schritte weiter gegangen, als mich eine ältere Dame ansprach. Als sie hörte, dass ich ein Unterkunft suchte, rief sie ihren Sohn, der deutsch sprach. Er führte mich zum "Molina", ich fragte an der Bar nach einem Zimmer. Erst dachte ich, man wollte micht nicht, dann verstand ich, dass es Musik geben würde. Ich betonte, dass ich Musik liebe. Und ich muss ganz ehrlich sagen, obwohl die Musik bis morgens um 6 Uhr spielte, fühlte ich mich nicht so gestört wie bei einem Schnarchkonzert.

Ich könnte manchmal vor Glück
eine ganze Allee von
Purzelbäumen schlagen.

(Heinz Erhard - A.d.R.)

10. April 2009 per SMS um 23:19 Uhr

heute wieder positive überraschung. bin gegen abend vor einem aprilschauer in ein steril aussehendes hotel geflüchtet, und dann ein super zimmer, für 13 euro ein komplettes menü, dicke gemüsesuppe, 2 forellen mit schinken, pudding, kaffee, wein. jung watt jeht's uns jut!

Tagebuchauszüge

Freitag, 10.04.2009
Heute morgen hatte ich zunächst Schwierigkeiten, den Ausgang zu finden, weil der Weg durchdie geschlossene Bar versperrt war. Aber dann fand ich den Flur und war draußen. Nach Villafranca del Bierzo nahm ich die attraktivere Route durch die Weinberge. In Villafranca regnete es wieder, daher machte ich erst einmal eine Rast in einem Café. Als ich an einem Automaten Geld abgeholt hatte, kam ein Einheimischer auf mich zu, deutete durch Gesten an, dass er stumm sei, und ob ich nicht etwas Geld für ihn übrg habe. Ich wollte gerade in die Tasche greifen und ein paar Münzen aus der Tasche holen, da kam eine Spanierin dazu, verscheuchte dem Mann und meinte, ich solle ihm nichts geben. Villafranca war übrigens das Ziel für alle Kranken, die es nicht bis Santiago schafften.

Weinberge vor Villafranca del BiercoTür Iglesia de Santagio Villafranca

Ich ging jetzt wieder auf der Origianlroute an der Straße entlang, da es immer noch regnete. Eine sehr angenehme Pause machte ich in Pereje, nicht zu glauben, dass es in einem so verlassenen Nest ein so schönes Restaurant gibt. Ich aß eine Riesenportion Makkaroni für 3 €, da ich gestern den ganz Tag kaum etwas gegessen hatte, machte ich nochmal Pause in Trabadelo bei einem immensen Bocadillo mit Tortilla bei der holländischen Frau und dem spanischen Mann, die deutsch sprachen. Zum Schluss musste ich dann aber doch richtig kämpfen, um aller herunter zu kriegen. Das Wetter war weiterhin wechselhaft, warm, dann wieder Kälte und Wind und vor allem heftige Regengüsse. In La Portella hatte ich den absoluten Tiefpunkt, als wieder ein starker Regenschauer kam. Und in solchen Situationen bin ich dann auch machmal vernünftig. Ich nahm mir gegen 18:00 Uhr im steril aussehenden "Valcarce" an der Autobahn ein Zimmer, und tat damit einen Glücksgriff. denn 30 € sind für ein Einzelzimmer mit Grandlit und luxoriösem Bad in einem Drei-Sterne-Hotel wirklich nicht zuviel. Ich nahm ein warmes Vollbad und fühlte mich nach dem Regenschauertag wie ein neuer Mensch.

Brücke VillafrancaHotel Valcare in La Portela

 

Tagebuchauszüge

Samstag, 11.04.2009
Im dicken Regen bin ich am Valcare losgegangen, er ließ zwischendurch etwas nach, da konnte ich dann gut ausschreiten. Eine größere Pause machte ich in La Faba, da habe ich die Frauen aus Flandern wiedergetroffen, eine davon sprach ganz hervorragend deutsch, die andern nicht so sehr. Zwischen-durch kam die Sonne raus, der Sonnenschein wurde aber immer wieder unterbrochen von starken Schnee- und Graupelschauern. Vor O'Cebreiro waren die Schneeschauer ganz dicht, zu sehen war gar nichts mehr, der Schnee blieb erst einmal liegen und ich stapfte durch den Schnee, mit Mühe die Orientierung suchend. Eine Gestalt, die in Schneetreifen auftauchte, sagte, es sei nicht mehr weit. Der Mann hatte Recht, es waren keine zehn Minuten mehr. Jedenfalls hat er mir die Gewissheit verschafft, dass ich noch auf der Strecke war.

Weg nach O'CebreiroGrenze Calicien

 

In O'Cebreiro war mir zuviel touristischer Rummel, so dass ich nach einer Pause um viertel vor fünf weiterging. Ich hatte ziemliche Schwierigkeiten, den weiteren Weg zu finden, weil alle, die ich fragte, mir unterschiedlich Auskünfte gaben oder auf die Straße schicken wollten. Dabei war es ganz einfach. Der Camino ging direkt an der Herberge vorbei, und zwar auf der anderen Seite. Es ging auf und ab, nach meinem Gefühl meistens auf. Ich musste noch schön Gas geben, bis ich im dichten Nebel gegen viertel vor neun die Passhöhe Alto do Poio erreichte. Dort gab es zwei Gaststätten. Ich nahm das Hostal Santa Maria de Poio. Der Wirt war freundlich und machte mir sogar noch was zu essen. (Hatte aber recht gesalzene Preise, was ich am nächsten Morgen bei der Abrechnung feststellte) Über das Essen konnte ich nicht meckern. Es war eine regionale Spezialität, wie er betonte, Tintenfisch, vielleicht auch Krake. Der Wirt machte schnell die Weinflasche zu und räumte ab, gerade als ich mit dem Essen fertig war.

O'Cebreiro Gegend nahe Alto do Poio

Hostal Santa Maria do Poio

Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser
über der Steine ruhig dunkelnden Glanz.
Alle Geräusche ducken sich ganz
in die glänzenden Knospen der Reiser.

(Rainer Maria Rilke . 1875 - 1926 - A.d.R.)

12. April 2009 per SMS um 20:55 Uhr

frohe ostern allen, die meinen weg verfolgen. habe seit gestern bilderbuchwetter, aprilwetter aus dem buche: schnee, regen, nebel, kälte, sonne. bin in galicien, übernachte im kloster samos, hier hängt noch ein bild von francos besuch, habe gerade andächtig dem gesang der mönche gelauscht.

Tagebuchauszüge

Ostersonntag, 12.04.2009
Als ich am Pass Alto do Poio losging, war wieder dichter Nebel mit Schneeregen, erst kurz vor Triacastela wurde es heller. Von dort wählte ich die Variante über Samos, weil ich mir das berühmte Kloster nicht entgehen lassen wollte. Es ging allerdings weitgehend über die Straße oder an Straßen entlang, die Berglandschaft war allerdings schön, ganze Hügel lila von blühender Heide.

Heide auf dem Weg nach SamosKloster Samos

Ich kam gegen 16:OO Uhr in Samos an und beschloss, in der einfachen Klosterherberge zu bleiben. Der Hospitalero nahm mir den Sack ab und staunte nicht schlecht über das Gewicht. Anschließend besichtigte ich das Kloster, sehr lohnend, riesige Anlage, riesige Kirche, riesige Bilder in den Gängen. Am Abend waren die Pilger noch eingeladen, dem Mönchsgesang in der Klosterkapelle zuzuhören, allerdings ohne Foto, Handy o.ä. Im Restaurant gegenüber dem Kloster habe ich das schlechteste Essen der Tour gekriegt, der Suppe schmeckte man die die Tüte an, fettige Rippchen, labberiger Pudding. Ich weiß nicht, ob andere Gerichte des Hauses besser waren. Heute Nachmittag zeigten sich leichte Schatten auf meinem rechten Auge, die auch jetzt am Abend nicht weg sind. Ob das am Schnee von heute Morgen liegt? Ich ging ja ohne Sonnenbrille, vielleicht binich schneegeblendet.

Wandmalerei Kloster SamosWandmalerei Kloster Samos

Kloster Samos

Tagebuchauszüge

Montag, 13.04.2009
Auch heute morgen war das wetter schlecht, als ich losging. Ich fand im Ort eine geöffnete Post, in der ich 10 Minuten warten musste, bis jemand kam. Die Dame verkaufte mir die doppelte Menge an Briefmarken als ich geordert hatte, Verständigungsprobleme. Ich wunderte mich nur über den hohen Preis. Wenn ich darauf achte, habe ich immer noch den Schatten im Auge, aber ich habe ihn erst einmal verdrängt...

Ich entschloss mich, zunächst den Weg über die Straße zu nehmen, der Fußweg über Calvor erschien mir als riesiger Umweg. Nach etwa 4 km auf der Straße zweigte nach links ein neu angelegter Wanderweg nach Sarria ab, der führte durch ein landschaftlich sehr reizvolles Tal, das Flusstal des Rio Sarria. Aber leider zog sich der Weg auch, durch das ständige auf und ab und durch die Schleifen, die der Fluss machte.

Tal des Rio SarriaTal des Rio Sarria

Gegen 12:00 Uhr kam ich in Sarria an, muss eine steile Treppe mit ziemlichen Elan genommen haben, denn vier junge Pilger klatschten, als ich oben ankam. Es waren bekannte Gesichter darunter, die ich vor Tagen in O'Cebreiro gesehen habe. Aus Sarria raus ging es weiter bergan. Die junge Amerikanerin aus South-Carolina, die ich in Samos beim Mönchsgesang gesehen hatte, überholte mich. An dem Abend ging sie ziemlich muskelkaterig, jetzt hatte sie aber einen ziemlichen Schritt drauf. Als ich das Hotel im Morgade erreicht hatte, regnete es mal wieder. Auch als ich weiterging, wa an ein Ausziehen der Regenkleidung nicht zu denken. Ich wollte noch bis Portomarin, um in einem Hotel zu übernachten, aber das Wegstück war noch gewaltig.

Treppe SarriaWandgemälde Sarria

Einmal machte ich noch Rast in einer Bar, es mag in Tellada gewesen sein, Herberge und Pizzeria, ziemlich laute Musik tönte auch draußen aus den Lautsprechern im Garten. Am Tresen saß ein Spanier, Rucksack aufgeschnallt, blaue Plane drüber, Beine von sich gestreckt, redete ununterbrochen und zeigte seine Schuhe, die wie eine Kombination aus Haus- und Straßenschuhen aussahen. Ich nahm die Schuhe als Fotomotiv, die anderen Gäste taten es mir nach. In Portomarin kam ich ziemlich spät an, ich wählte das Hotel Villjardin mit Bar/Restaurant Mesón Rodrigez für Frühstück und Abendessen. Der Hotelier kam gerade aus der Bar und brachte mich persönlich zur Rezeption.

PilgerschuhePilger in blau

Weg nach Portomarin

 

 

 

Pessimisten sind Leute,
die mit der Sonnenbrille
in die Zukunft schauen.

(Heinz Erhard - A.d.R.)

14. April 2009 Anruf um 07:01 Uhr

Ich habe massive Probleme mit dem rechten Auge, ich sehe Schatten und auch Blitze, auch wenn es geschlossen ist. Ich nehme mir jetzt ein Taxi und fahre zum Augenarzt - hoffentlich muss ich die Wanderung nicht abbrechen. Ich melde mich später wieder.

2. Anruf um 9:50 Uhr (bei Elfie)

Entwarnung ! Tex darf weiter gehen. Die Augenärztin hat nicht die befürchtete Netzhautablösung feststellen können, statt dessen Staubpartikel im Auge. Jetzt noch in die Apotheke und Salbe gekauft, dann geht es wieder weiter. Bemerkung am Rande: Der Hotelwirt hat die Taxifahrt zum Arzt übernommen, ist die ganze Zeit über dabei geblieben und hat auch die Übersetzung spanisch - spanisch :-) gemacht...

 

Tagebuchauszüge

Dienstag, 14.04.2009
Ich ging gestern abend früh ins Bett. Der Schatten auf der linken Seite des Auges war kräftiger gewor-den, schwarz und undurchsichtig. Selbst wenn ich die Augen schloss, sah ich ihn, manchmal am Rand sogar golden illuminiert. Ich schlief in der Nacht sehr schlecht, stand immer wieder auf, machte das Licht an, die dunkle Stelle am Rand blieb. Gegen sieben Uhr schickte ich eine SMS an Elfie, die rief sofort zurück. " Elfie, ich glaube, ich habe einen Tumor im Kopf, ich kann nicht mehr richtig sehen" Dann beschrieb ich mein Leiden."Das ist kein Tumor, hört sich aber trotzdem nicht gut an. Es könnte eine Netzhautablösung sein. Du solltest sofort einen Arzt aufsuchen!" Ich schilderte dem Hotelier, ich nenne ihn jetzt mal Senor Rodriguez, mein Problem, der verstand, dass was mit meinem Auge war und riet mir, zur Klinik nach Lugo zu fahren, die etwa 25 km entfernt von Portomarin ist. Er hat gleichzeitig ein Taxiunternehmen und war sofort startklar.

Wir waren schon kurz vor halb neun an der Klinik. Senor Rodriguez parkte im Halteverbot und nahm ab sofort alles in seine Hand, schilderte mein Problem, so, wie er es verstanden hatte, managte meine Aufnahme bei der Ambulanz, übersetzte mir ins Spanische, was die anderen auf spanisch sagten, übersetzte den anderen das, was ich sagte, ins Spanische, ohne es zu verstehen. Die junge Ärztin leuchtete ins Auge, nachdem sie das Licht ausgemacht hatte, reinigte es dann und erklärte, ich könne ruhig weitergehen. Sie verschrieb mir noch eine Salbe, die ich dreimal täglich auftragen sollte. Ich hätte sie umarmen können, denn das war ja genau das, was ich hören wollte. Mir kamen vor Freude fast die Tränen.

Senor Rodriguez fuhr mich wieder zurück nach Portomarin, die ganze Prozedur hatte 1,5 Std. gedauert, er war über 50 km gefahren. Ich musste 35,- € bezahlen und bekam von ihm noch einen Kaffee ausgegeben. Ich holte die Salbe aus der Apotheke, kam aber nicht sofort dran, weil die Dame ein ellenlanges Telefongespräch führte. Ich albte mein Auge ein, warf noch einen kurzen Blick auf die Kirche, die ja vor den Fluten des Stausees gerettet worden war und setzte dann meinen Weg fort.

Portomarin

Es ging zunächst hinunter, fast auf Staumauerhöhe, dann wieder hinauf. In Gozar traf ich drei Leute aus der Bar von gestern wieder. Sie erzählten, dass der Pilger in blau von gestern mit den Straßenschuhen heute zur Kilinik gefahren ist, weil er Herzprobleme hatte. Kurz vor Hospital da Cruz rief Paqui an, sie hatte meine Nachricht gelesen und fragte besorgt, wie es mir ginge. Ich sagte ihr, dass ich im Krankenhaus war und die Ärztin das Problem als klein beschrieben hatte. Sie sagte, ich könne sie jederzeit anrufen, wenn ich Hilfe brauche.

Das Wetter wurde wieder schlechter, ich machte mich regenfest und packte die Kamera in den Rucksack. Obwohl ich mehrmals mein Auge mit der "Pomade" einschmierte, konnte ich noch keine Besserung feststellen, ich hatte im Gegenteil den Eindruck, dass die schwarze Stelle immer größer wurde. Ich hatte die ganze Zeit die Lesebrille auf, und wenn ich über den Rand sah, sah ich den dunklen Fleck nicht. Eigenartiger Weise kann ich mich kaum an landschaftliche Eindrücke erinnern. Ich weiß noch, dass in der Bar in Areixe oder Portos ein Computer war. Elfie hatte im Internet Entwarnung gegeben. Mir war gar nicht nach Entwarnung zumute, ich schickte eine Mail an Rita und bat sie, diese an Elfie weiter zu leiten.

04/14/09 16:02:08 per Mail an Rita

…wenn ich ehrlich bin, kann ich noch keine Entwarnung geben, habe das Gefuehl, dass ich immer weniger sehe. Hoffe ganz instaendig, dass die Aerztin die richtige Diagnose gestellt hat und die Salbe schnell wirkt. Im Augenblick brennt das Auge, drueckt mir alle die Daumen, dass ich die Tour erfolgreich beenden kann, ich muss den morgigen Tag abwarten, um zu entscheiden, ob ich nochmal zum Arzt gehe. Dabei bin ich doch nur noch 73 km von Santiago entfernt, trotzdem dieser Durchhaenger. Die anderen haben Probleme mit Beinen und Fuessen, ich mit den Augen. Verrueckt, nicht? Ob ich mir zu viel angeschaut habe? ....

Im Laufe des Nachmittags wurde es immer schlimmer statt besser, mehr als die Hälfte des Blickfeldes des rechten Auges waren schwarz bzw. dunkelbraun. Der Rest des Tages lief wie ein Film ab...

...ich irrte durch die Straßen von Palas de Rei, nahm mir ein Zimmer im Hotel, rieb mein Auge ein und legte mich auf's Bett. Mir ging es schlecht. Ich rief Elfie an:"Ich glaube, deine Diagnose von heute morgen war zutreffender als die der Ärztin." Sie gab mir Hannes, der mir seinen ärztlichen Rat gab: "Wenn es wirklich eine Netzhauablösung ist, und alles deutet darauf hin", musst du sofort in ein größeres Krankenhaus, das Auge muss operiert und gelasert werden. Wenn das nicht innerhalb der nächsten 48 Stunden geschieht, stirbt die Netzhaut ab, und der Schaden ist nicht mehr zu reparieren." Ich bekam Panik, die aber wohl notwendig war. Ich packte meine Sachen zusammen, machte die Frau an der Rezeption heiß, dass ich schnellstens eine Ambulanzwagen brauche. Trotz meiner Interven-tionen fuhren die mich aber zu einer kleinen Krankenstation am Stadtrand. Ich erklärte auf englisch, dass es ein Notfalll sei und ich in eine größere Klinik müsse, wurde aber nicht verstanden bzw. mit Unverständnis und Ratlosigkeit betrachtet. Da fiel mir mein Schutzengel Paqui ein. Ich rief sie an, erklärte mein Problem und sie verdeutlichte es dem Arzt auf spanisch. Endlich wurde ich verstanden, der Arzt untersuchte das Auge kurz und stimmte dem Transport nach Lugo zu. Der Wagen fuhr nicht sofort ab, dann ging die Tür auf, Paqui war in Windeseile mit dem Taxi gekommen. Engel können fliegen. Sie beruhigte mich, fuhr mit, und hatte ihren Freund Detlef aus Bochum mitgebracht, der ab jetzt meinen Rucksack transportierte.

Ich schätze, es waren mindestens 30 Kilometer bis zu der Klinik in Lugo, der Klinik, in der ich am Morgen schon war. Doch jetzt war alles anders, weil Paqui die Regie übernommen hatte und alles managte, aber nicht ohne mich zwischendurch immer wieder zu beruhigen: "Don't worry." Sie merkte wohl meine Panik, strich mir ab und zu den Hemdkragen glatt und redete wie auf einen alten Esel auf mich ein. Sie ging auch mit zur Untersuchung und erklärte mir alles, was der Arzt sagte. Diesmal kam ich in die richtige Abteilung, und der Experte kam mit seinen Geräten zu dem gleichen Ergebnis wie Elfie am Telefon in 3.000 km Entfernung: "Netzhautablösung". Behandlung: Gasdruckbehandlung oder chirurgischer Eingriff. Die Entscheidung sollte ich morgen treffen, auch, ob ich die Behandlung lieber zu Hause durchführen lassen sollte.

Paqui und Detlef brachten mich noch in den Warteraum, weil ich in die Dependance "San José"; eine Augenklinik, verlegt werden musste. Ich bedankte mich nochmals bei ihnen, kurz vor 22:00 Uhr fuhren sie mit dem Taxi zurück nach Portomarin, wo sie in der dortigen Herberge übernachteten. In dem anderen Haus bekam ich sogar noch etwas zu essen, einen Schlafanzug und Handtücher. Nach dem Essen fiel ich übermüdet ins Bett, weiß noch nicht einmal, ob ich gut oder schlecht geschlafen habe, weiß aber, dass ich Paquis "Don't worry" in den Ohren hatte...

 

Konfuzius sagt:
"Der Weg ist das Ziel.
Wenn das Ziel fern ist, ist der Weg lang."
"Wenn die Sprache nicht stimmt, so ist das,
was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist;
Ist das, was gesagt wird, nicht das was gemeint
ist, so kommen die Werke nicht zustande;
Kommen die Werke nicht zustande, so gedeihen
Moral und Kunst nicht; Gedeihen Moral und Kunst
nicht, so trifft das Recht nicht; Trifft das Recht nicht, so weiß die Nation nicht, wohin Hand und Fuß setzen; also dulde man keine Willkürlichkeit in den Worten - das ist es, worauf es ankommt."
(A.d.R)

3-8. Anruf zwischen 20:00 und 22:00 Uhr
(von Elfie)

Und doch.... nachdem die Sehkraft von Tex im Laufe des Tages immer weiter nachließ und das Gesichtsfeld am Abend massiv eingeschränkt war, ging er in eine Augenklinik in Lugo- die niederschmetternde Diagnose: Doch eine Netzhautablösung ! Tex muss sich sofort in Spanien am Auge operieren lassen - die Tour muss abgebrochen werden.
Lieber Diethelm alle deine virtuellen Wegbegleiter denken an dich und drücken dir ganz fest die Daumen!

Lieber Odo,

lass uns erst einmal abwarten, bevor wir zu solch schaurigen Alternativen greifen.
Tex
Ich möchte an dieser Stelle nur unseren alten Wanderfreund Peter Zimmer aus Neheim zitieren:

"Wandern ohne Gepäck ist wie Geschlechtsverkehr ohne Frau."

SMS von Wanderkamerad Odo am 16.09.2009 ans Krankenbett

Was ist passiert? Wie fühlst du dich? Man kann auf dem Zahnfleisch gehen und auf den Brustwarzen laufen, aber nicht auf den Augen. Wenn alle Stricke reißen, machen wir im Sommer eben eine Rentnerwanderung mit Gepäcktransfer in Deutschland. Komm erst mal lieber auf die Füße.

 

Wenn dir ein Fels vom Herzen fällt,
so fällt er auf den Fuß dir prompt!
So ist es nun mal auf der Welt:
ein Kummer geht, ein Kummer kommt ...

(Heinz Erhard - a.d.R.)

17. April per SMS um 15:27 Uhr

der arzt war mit dem ergebnis der gasdruckbehandlung sehr zufrieden und hat die netzhaut wieder angetackert, medizinisch als lasern bezeichnet, muss aber weiterhin auf der linken seite mit dem kopf nach unten liegen ohne ihn hängen zu lassen.

Artikel in "Der Westen" - das Portal der WAZ Mediengruppe:

Schutzengel kam mit dem Taxi

Er wandert seit über 30 Jahren. Mehr als zwei Jahrzehnte davon hat er vom legendären Camino Francés, dem Jakobsweg bis in das spanische Santiago de Compostela geträumt. Vor drei Wochen erfüllte sich Diethelm Textoris diesen Wunsch und muss jetzt überraschend krankheitsbedingt aufgeben.

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Archivbild

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Krankheit lässt uns den Wert der Gesundheit erkennen.
(Heraklit von Ephesus)

Sag niemals, dass es dir furchtbar schlecht geht, denn es könnte dir immer noch schlechter gehen.
(Jüdisches Sprichwort)

Wer von jeglicher Erkrankung verschont bleibt, stirbt eines Tages wahrscheinlich an der Langeweile.
(Martin Gerhard Reisenberg)

 

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Tex im Zimmer 119 des St. José Hospitals in Lugo: nur den Kopf nicht hängen lassen

Ein kleines Lied, auf allen Wegen,
mehr hab ich nicht, ich bin ja nur ein Vagabund.
Ich kenn die Welt, bei Wind und Regen,
wohin ich kam da lachte mir ein roter Mund.
Mir hat das Glück soviel gegeben,
doch wenns am schönsten war,
dann musst ich leider gehn,
ein weiter Weg ist unser Leben,
doch überall wohin ich kam, da war es schön.

Just Scheu

 

19. April 2009 aus dem Krankenhaus per SMS um 21:36 Uhr

ohne eigene musik wärs doch sehr langweilig. doch so dröhnt an dem wochenende aus zimmer 119 des san jose hospitals udo lindenbergs warnung "der greis ist heiß", freddy klagt vom "heimweh", dieter thomas kuhn besingt mein leiden mit "zeit macht nur vor dem teufel halt" und udo2 gibt mir tipps für mein 66. lebensjahr.

20. April 2009 aus dem Krankenhaus per Mail, übermittelt von Schwester Suni Yanez um 21:50

DER ARZT HAT HEUTE MORGEN DIE NETZHAUT WIEDER UNTERSUCHT. SIE SITZT FEST UND ARBEITET. DANACH WURDE WIEDER GELASERT, NOCHMAL GANZ UM DIE ABGELÖSTE STELLE. DANACH WAR ER ZUFRIEDEN. WIR MÜSSEN WARTEN, ICH MUSS GEDULD HABEN, MEINTE ER. OB ICH NOCH OPERIERT WERDEN MUSS, WIRD SICH SPÄTER ZEIGEN, ICH  MUSS WEITER AUF DER LINKEN SEITE LIEGEN
VIELE GRÜSSE DIETHELM

Fährt ein weißes Schiff nach Hongkong,
hab ich ich Sehnsucht nach der Ferne,
aber dann ich weiter Ferne,hab ich Sehnsucht nach zu Haus; und ich sag zu Wind und Wolken, nehmt mich mit, ich tausche gerne, all die vielen fremden Länder, gegen eine Heimfahrt aus.

Aldo von Pinelli

23. April 2009 per SMS um 21:36 Uhr

morgen früh gehts in richtung heimat, 35 stunden fahrt. der netzhautschaden ist behoben, ein großer teil der sehkraft ist wieder da. die ärzte haben ein kleines wunder vollbracht. alles weitere wird die zukunft zeigen. ich hatte viele helfer und viele, die mir mit guten wünschen beistanden. dank an alle.

Ich bin wieder da

Am Samstag den 25. April 2009 um 19:00 Uhr war ich wieder zu Hause. Wenn ich die obigen Eintragungen lese, so ist aus dem Tagebuch einer anfänglich fröhlichen Wander- und Pilgerreise zum Schluss ein Krankenbericht geworden. Betrachtet man die dramatischen Ereignisse seit dem Auftreten des ersten Schattens am Ostersonntag bis heute, so kann ich sagen, dass ich sehr viel Glück gehabt habe. Ich hatte sehr viele Helfer, die dafür gesorgt haben, dass die Sehkraft meines Auges nicht verlorenging, und ich hatte sehr viele, die mir in dieser Situation mit ihren guten Wünschen und ihrer Anteilnahme Mut und Zuversicht gegeben haben. Ich wiederhole den oben ausgesprochenen Dank an sie hier nochmals, will sie aber hier ausdrücklich nennen und hoffe, dass ich niemanden vergessen habe.

Helfer/innen
Dr. Eduardo Iglesias, Dr. Elena Rodriguez, Dr. Antonio Peréz Rodriguez und das gesamte Ärzteteam von der Oftalmologia Hospital San José in Lugo, ebenso das Team der Krankenschwestern und Pfleger, die mich so aufmersam betreut und verstanden haben, auch ohne das sie deutsch oder englisch konnten, Schwester Suni Yanez, die alle Englischbrocken ihrer Schulzeit aktiviert hat, sogar am Wochenende englisch lernen wollte, die für mich E-Mails versandt hat, mich mit Batterien versorgte, immer wieder betonte, wie gut der Heilungsprozess verlief und mir zum Abschied sogar noch ein "Fresspaket" für die Reise gepackt hatte und dafür ihren Dienst eine halbe Stunde eher begann. Rosa Méndez R.vom Krankenhaussozialdienst, die mir eine Speditionsfirma vermittelte, die mein Gepäck abholte, Ricardo Taboada Fraga, der ausgezeichnet deutsch sprach, mich zweimal am Tag besuchte, mich mit Aufladegerät und deutscher Literatur versorgte, als "Wassermann" kam, meinen Rucksack zum Paket verschnürte und unzählige Dige für mich regelte und sich außerdem noch über viele Themen mit mir unterhielt.
Der Taxi-Hotelier von Villajardin und Mesón de Rodriguez, der mich zu einem Spottpreis 50 km fuhr und diverse Dinge regelte, wenn auch erfolglos. Paqui Campos Robles, die Ambulanzfahrer und Ärzte "heiß machte" und auf die Gefährlichkeit und Dringlichkeit meiner Erkrankung aufmerksam machte, Taxi- und Krankenwagenfahrten auf sich nahm, um im Krankenhaus alles für mich zu regeln, mir ganz nebenbei noch viel Mut zusprach und mir das Panikgefühl nahm und sich täglich nach meinem Befinden und Heilungsfortschritt erkundigte. Detlef Hertlein aus Bochum-Langendreer, der meinen schweren Rucksack ins Krankenhaus schleppte, weil ich nichts mehr tragen durfte. Rita, die mir außer guten Wünschen auch Aufladenummern fürs Handy ins Krankenzimmer schickte und so meine Kommunikationsfähigket nach draußen aufrecht erhielt.
Meine Schwester Elfie, die in 2.000 km Entfernung die richtige Diagnose per Telefon stellte, im Gegensatz zur Ärztin vor Ort, die trotz ihrer Geräte den Schaden nicht erkannte. Mein Schwager Hannes, der mich zwar in Panik versetzte, aber nur dadurch erreichte, dass ich die Schwere meiner Erkrankung erkannte und allen nötigen Druck machte, in eine Augenklinik zu kommen.

Gute Wünsche und Anteilnahme (zufällige Reihenfolge, keine Wertung!)
Rita Wendel, Anke Thiele, Bärbel und Karl Schönfelder, Klaus und Helma Scheller, Odo und Hanne Strieder, Peter und Christel Zimmer, Adriana Wendel und Vivien, Kurt Stock, Heinz-Helmut Textoris mit Heike und Nele, Irmhild und Reinhard Belter, Stefan Belter und Claudia, Meike Belter, Brigitte Schimmig, Annette Westhues, Lilo Becker, Maria Stricker, Christina Weber, André Wendel, Stefan und Monika Zimmer, Petra Finken, Andrea Lahayn und Jochen, Bettina Szallies und das Redaktionsteam der Westfälischen Rundschau Lünen, Hugo und Liesel Rohpeter, Andreas Reisböck, Hugo Becker, Ulrich Jordan, Wilfried Kautz, Edith Meinholz, Barbara Höpping, Michael Vornhagen, Renate Bodenstedt, Leni Osterhaus, Günter und Monika Döring mit Anni und Binki, Angela, Stefanie und Walter Nachtkamp, Manfred Thiel, Michael Schenk, Bodo Kaffsack, Mechthild Nolden, Daniela Gronemeyer, Klaus und Karolina Pahlke, Hanni Ilaender...

Wie geht es weiter? Wenn ein Hochseilartist abgestürzt ist und alles gut überstanden hat, möchte er so schnell wie möglich wieder auf sein Seil unter der Zirkuskuppel. Mir geht es ähnlich. Es sitzt tief, dass ich 65 Km vor Santiago und 155 km vor Finisterre aufgeben musste. Dieses Stück will ich so schnell wie möglich nachholen. Natürlich muss ich erst wieder gesund sein. Dann folgt Jakobsweg Teil 2 in der Realität und wieder als Internettagebuch. Ich freu mich drauf und kann's kaum erwarten...

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Fortsetzung folgte...
... am 16. Juni 2009 ging es weiter, wieder mit einem Life-Internettagebuch