Viele Höhenmeter auf meist gut begehbaren und gesicherten Pfaden
Verrückte Ideen zu spinnen ist wunderbar. Eine solche Idee dann in die Tat umzusetzen, bleibt meistens nur einem jugendlichen Tatendrang vorbehalten. Doch auch im Alter von 60+ kann man noch Außergewöhnliches realisieren. Mit meinen Wanderkollegen Klemens Nottenkemper (63) und Theo Wulfert (66) hatte ich (68) mir vorgenommen, die Alpen zu Fuß zu bezwingen. Mindestens einen Teil davon. Am Ende waren wir stolz auf unsere Leistung. Fazit: Alter schützt vor Fitness nicht.
Auf dem Europawanderweg Nr. 5 wanderten wir in zwei Wochen von Bregenz nach Meran. Genau genommen nahmen wir den Einstieg über den Maximilliansweg. Wir starteten in Alberschwende, wobei wir auf dem dortigen Kirchplatz unser Auto gut und sicher parkten. Vor uns lagen etwa 200 Kilometer. Nicht viel, wenn man sie in der Ebene zurücklegt. Was auf dieser Strecke zählte, sind die Höhenmeter. Davon hatten wir gleich am ersten vollen Wandertag von Lingenau im Bregenzer Wald bis zum Staufner Haus bei Oberstaufen 850 m Aufstieg zu bewältigen. Insgesamt summierten sich die Aufstiege bei unserer Tour auf 8.500 m. Die Bezwinger des Mount Everest legen weniger zurück. Allerdings hinkt dieser Vergleich, da bei denen Wetter und Wegbedingungen wesentlich schlechter sind. Die waren bei uns nahezu ideal: In zwei Wochen hatten wir nur zwei Stunden Regen. Und gefährliche Wegstellen waren mit Ketten, Seilen und Eisenstufen gesichert. Abstürzen konnte eigentlich nur, wer wollte. Und wir hatten diese Absicht nicht.
Schnee am Pitztaler Jöchl und eine überforderte Amerikanerin
Und doch. Unterhalb des Pitztaler Jöchels war noch ein großes Schneefeld, das zu überqueren war. Wir mussten höllisch aufpassen, um nicht auszurutschen. Trotzdem legte ich mich einmal hin, und ich hatte Angst, weiter abzurutschen. Zum Glück war der Bergführer einer amerikanischen Reisegruppe in der Nähe, der mir auf die Beine half. Dabei hatte die Gruppe ihre eigenen Probleme. Eine Dame mit einen Alter von gut 70 Jahren war offenbar am Ende ihrer Kräfte. Sie bewegte sich mit zitternden Knien vorwärts, obwohl einer der Führer sie an die Hand genommen hatte und ein anderer ihren Rucksack trug. An der Fahrstraße wurde sie in ein Taxi gesetzt und bis zum Tagesziel gefahren.
Auf der Passhöhe des Timmelsjochs trafen wir am nächsten Tag die Dame aus South Carolina wieder. Allein. Man hatte ihr einen Fahrplan in die Hand gedrückt, sie sollte den Bus nach Meran nehmen, weil sie wieder kräftemäßig überfordert war. Nach Abfahrt des Busses saß die Frau, die kein Wort deutsch sprach, immer noch an der Haltestellte. Auf die Frage, warum sie nicht eingestiegen sei, antwortete sie: „Man hat mir gesagt, der Bus sei blau, doch dann kam nur ein gelber.“ Es wäre wohl angebracht, wenn Reiseveranstalter die Verfassung ihrer Schützlinge vor Beginn einer Tour besser überprüfen würden, um vorher sich abzeichnende offensichtliche Überforderungen zu vermeiden. Und es wäre auch nicht schlecht gewesen, wenn ein Sprachkundiger bei ihr geblieben wäre.
Angenehmer Weg übers Timmesjoch und eine Notunterkunft in Moos
Der Weg übers Timmelsjoch war für uns wesentlich angenehmer als erwartet. Der Wanderweg verlief meistens in größerer Entfernung oder auch oberhalb der vielbefahrenen Hochalpenstraße, auf der sich Autofahrer, Rad- und Motorradfahrer tummelten. Eine schöne Pause haben wir am Timmelsbach gemacht, danach ging es unerbittlich aufwärts. Auf der Passhöhe war ich erst gegen 14:00 Uhr. Wieder hatte ich die Vorgabezeit stark überschritten. An der Raststätte knubbelte sich alles, so dass kaum ein freier Platz zu ergattern war. Theo und Klemens waren mal wieder eine lange Zeit vor mir eingetroffen. Sie brachen auch bald darauf auf, um in Rabenstein Quartier zu machen. Doch im Gasthaus Rabenstein war bei meinem Eintreffen nicht nur alles voll, es war bei meinem Eintreffen am frühen Abend auch fast alles ausverkauft. Zum Glück waren meine beiden Mitwanderer nicht untätig gewesen, hatten telefonisch in Moos ein Notquartier in der Küche einer Ferienwohnung im „Gasthaus Mooser Hof“. Und eine Fahrt dorthin mit einem freundlichen Gast war auch schon geregelt.
Am schlimmsten waren die Abstiege
Was auf der Tour am meisten schlauchte, waren nicht die Auf- sondern die Abstiege. Da war der lange Weg vom Timmelsjoch hinunter noch einer der Harmlosesten. Einen anderen wird wohl kaum ein E 5 Wanderer vergessen. Das sind die quälenden 1950 Meter von der Seescharte in den Allgäuer Alpen bis nach Zams in Tirol. Die Kollegen brauchten acht Stunden. Ich als Ältester, der auch in früheren Jahren schon die Langsamkeit bevorzugte und gegen eine ausgiebige Pause bei einem kühlen Bier auf einer Alm nie etwas einzuwenden hat, benötigte sogar elf Stunden. Die Kollegen holten mich ab, und trugen sogar meinen Rucksack auf den letzten 500 m, was nicht unbedingt nötig gewesen wäre. Relativ geschafft waren wir allerdings alle drei. Erst nachdem wir in der „Gemse“ mit Käseknödeln den Kalorienbedarf aufgefüllt hatten, uns mit ausgiebig Flüssigkeit vorm Austrocknen schützten und im „Haus Hubertus“ tief und fest schliefen, waren wir am nächsten Tag wieder fit und konnten vom Frühstückstisch einen Blick auf den „mörderischen“ Abstieg ins Zamser Loch werfen.
Auf den Alpenvereinshütten klappte es mit dem Erholungsschlaf allerdings nicht immer so gut, denn die waren alle hoffnungslos überfüllt. Auf der Kemptner Hütte mussten bei 290 Schlafplätzen über 350 Personen untergebracht werden, d.h. drei bis vier auf der Breite eines normalen Doppelbetts. Und einer schnarcht nachts immer, in einem Mehrbettzimmer sind es meistens auch mehrere. Dass die auch die anderen Hütten (Memminger Hütte, Braunschweiger Hütte) so voll waren, lag auch an den kommerziellen Reiseveranstaltern, die für ihre Gruppen die besten Schlafplätze vorgebucht und auch in Restaurationsbereich die besten Sitzplätze reserviert hatten. Als Einzelwanderer kamen wir uns manchmal wie Wanderer zweiter Klasse vor. Richtig entspannt dagegen war es am letzten Abend auf der privaten Pfandler Alm, wo wir ein gemütliches Dreibettzimmer hatten und ausreichend Platz auch beim Abendessen hatten. Die kommerziell geführten Reisegruppen bevorzugen ja auch eine andere Weg-Variante nach Meran.
Landschaftlich Schönheiten als Ausgleich für Mühen und Unbequemlichkeiten
Ausgleich für alle Anstrengungen und Unbequemlichkeiten bot die landschaftliche Schönheit sowohl in den Talregionen als auch in den Bereichen oberhalb der Baumgrenze. In tieferen Bereichen blühten unzähligen Blumen, vom blauen Enzian bis zu Orchideen, in den Höhen beeindruckte uns die Welt der kahlen und schroffen Felsen. Vom höchsten Punkt, dem Pitztaler Jöchl (2990m) und auch von der Terrasse der Braunschweiger Hütte hatten wir einen Ausblick auf die Gletscherwelt, die allerdings leider durch die Erschließung von Sommerskigebieten inzwischen etwas verhauen aussieht. Und dass die Erschließung weitergeht, sahen wir an den pausenlos fahrenden LKWs und den immer wieder vorgenommenen Sprengungen.
Als wir an der Bergstation der Hirzer Seilbahn Meran im Dunst unter uns liegen sahen, beschlossen wir, uns nach den Tagen in den Bergen nicht mehr dem Trubel einer großen Stadt auszusetzen. Mit Bussen und Bahn fuhren wir zurück nach Alberschwende und in der gleichen Nacht noch nach Hause. Doch eins haben wir uns schon jetzt vorgenommen: Weil die Verwirklichung von verrückten Ideen so viel Spaß macht, wollen wir 2013 die Alpenüberquerung auf der Strecke von Meran nach Verona fortsetzen. Denn eins steht fest: Obwohl es unsere erste gemeinsame mehrtägige Tour war, waren wir ein hervorragendes Team, das sich phantastisch ergänzte Jetzt hoffen wir darauf, dass uns die Gesundheit weiterhin erhalten bleibt.
Erschienen in der Zeitschrift "Der Weitwanderer"
Gekürzt erschienen in der Westfälischen Rundschau Lünen
Copyright Diethelm Textoris
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Praktische Hinweise
Rucksackpackliste
Etappen
Wanderung von Bregenz (Alberschwende) nach Meran |
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Tag |
Start |
Ziel |
HM Aufstieg |
HM Abstieg |
Bemerkungen |
1 |
Alberschwende |
GH Alpenrose |
450 |
180 |
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2 |
GH Alpenrose |
Staufner Haus |
850 |
0 |
Alpenrose-Lingenau gefahren |
3 |
Staufner Haus |
Gunzesried |
220 |
940 |
mehr Höhenmeter bei gesamter Nagelfluhüqu. |
4 |
Gunzesried |
Oberstdorf |
100 |
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Übernachtung in Dietersberg |
5 |
Oberstdorf |
Kempner Hütte |
1000 |
20 |
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6 |
Kempner Hütte |
Bach |
130 |
920 |
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7 |
Bach |
Memminger Hütte |
1200 |
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8 |
Memminger Hütte |
Zams |
470 |
1950 |
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9 |
Zams |
Wenns |
300 |
1500 |
Seilbahn zum Krahberg |
10 |
Wenns |
Braunschweiger Hütte |
1000 |
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Bus bis Mittelberg |
11 |
Braunschweiger Hütte |
Zwieselstein |
330 |
600 |
Fahrt bis Mautstelle |
12 |
Zwieselstein |
Moos |
1200 |
700 |
Fahrt Rabenstein Moos |
13 |
Moos |
Pfandler Alm |
700 |
0 |
Fahrt Moos St. Leonhard |
14 |
Pfandler Alm |
Hirzer Hütte |
650 |
10 |
Abfahrt Hirzer Seilbahn Klammeben-Saltaus |
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Gesamt |
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8600 |
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Unterkünfte |
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Tag |
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1 |
Gasthaus Alpenrose, Kaltenbrunnen, A 6863 Egg, 0043 55122433 |
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2 |
Stauffner Haus am Hochgrat, 0049 08386 001121 |
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3 |
Pension Beck, Im Grund 4, Blaibach-Gunzesried 0049 8321 2915 |
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4 |
Gasthof Riefenkopf, Dietersberg 8, 87561 Oberstdorf, 0049 8322 800502 |
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5 |
Kemptner Hütte, 0049 8322 700152 |
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6 |
Grüner Baum, Bach 43, A 6653 Bach 0043 5634 6343 |
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7 |
Memminger Hütte 004 35634 (Tal) |
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8 |
Haus Hubertus, Oberreitweg 4, A 6511 Zams, 0043 5442 66010
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9 |
Pension Landhaus Gasser, A 6473 Wenns 234, 0043 5414 86 124 |
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10 |
Braunschweiger Hütte 0043 664 53 53 722
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11 |
Haus am Mühlroan , Hochstattweg 25, A 6450 Sölden Zwieselstein, 0043 5254 2762 |
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12 |
Gasthof Mooserwirt, I 39013 Moos 10, 0039 473 64 65 46 |
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13 |
Pfandler Alm,Prantach 34, I 39015 St. Leonhard, 0039 473641841 |
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Adressen und Telefonangaben ohne Gewähr |
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